Wirkung

Einige theoretische Gedanken von Laurence Fotheringham zum Ausdrucksmalen (mit seiner freundlichen Genehmigung):

Äusserer Rahmen:
Für mich unterscheidet sich das Ausdrucksmalen von anderen künstlerischen und therapeutischen Malformen durch folgende, äussere Merkmale:

Atelier:
Ich biete Ausdrucksmalen in einem nach aussen abgeschirmten Raum an. Dadurch finden die Malenden einen leichteren Zugang zu ihren inneren Bildern. Sie werden nicht abgelenkt von äusseren Einflüssen, Tages- und Jahreszeiten, Wetter usw.
Der gleichbleibende Rahmen vermittelt ihnen, unabhängig von ihrer inneren Befindlichkeit, ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit.

Atelier Aschau

Material:
Ich stelle eine reichhaltige Auswahl von leuchtenden Gouachefarben zur Verfügung. Gemalt wird mit Pinseln, Spachteln, Schwämmen, Händen und Fingern.
Die grossen Bogen Papier werden an die Wand befestigt, sodass die Malenden stehend arbeiten können.
Die vielen Farben laden ein zu spielerischem Umgang.
Die stehende Haltung erlaubt ihnen, Bewegungsimpulse ungehindert aufs Blatt fliessen zu lassen und ermöglicht ihnen die stete Gegenüberstellung mit ihrem Bild.

Thema:
Ich gebe kein Thema vor.
Dieses ergibt sich für jeden Malenden ganz individuell je nach dem persönlichen Befinden und der augenblicklichen Stimmung.

Technik:
Ich erteile keinen Unterricht und gebe keine Vorlagen.
Maltechnische Probleme meistern die Malenden durch Ausprobieren und Üben. Sie sind herausgefordert, die Dinge nach ihrer Erinnerung zu malen, so gut, wie sie es im Augenblick können.
Daraus folgt, dass absolut keine Vorkenntnisse im Malen nötig sind. Wichtig aber ist Neugier und eine gehörige Portion Risikobereitschaft.

Arbeitsweise:
Übermalen ist für mich der Kernpunkt im Ausdrucksmalen. Wenn ein Bild nicht gefällt, kann es übermalt und immer wieder abgeändert werden, bis die Malende von der Aussagekraft des Bildes ganz befriedigt ist. Die Entwicklung, der Weg, die ständigen Veränderungen eines Bildes sind von zentraler Bedeutung. Sie führen hin zu neuen Erkenntnissen.

Bewertung:
Die Bilder werden weder von mir als Leiterin, noch von der Gruppe beurteilt. Sie werden nicht interpretiert, nicht psychologisiert und weder negativ noch positiv bewertet.
Auf diese Weise entsteht ein geschützter Raum, in dem die Malenden frei experimentieren und zu ihrem Stärken und Schwächen stehen können.

Das weiße, leere Papier an der Wand befestigt.
Das weiße, leere Papier an der Wand befestigt.

Inneres Bild:
Meine Arbeit ist geprägt von der Überzeugung, dass Entwicklung und Wachstum zu einem selbständigen, kreativen, handlungs- und beziehungsfähigen Menschen nur möglich ist, wenn wir die ursprüngliche, kindliche Art zu lernen wieder entdecken. Dieses ganzheitliche Lernen führt uns Schritt um Schritt zurück zu unserem Urvertrauen, und damit zu der Erfahrung, dass wir sowohl menschlich als auch göttlich sind.

Prozess:
Meine Arbeit ist prozessorientiert. Das heisst, der Malende tritt in einen schöpferischen Prozess ein, ohne genau definiertes Ziel.
Das Endergebnis ist ebenso ungewiss wie die Zeit, die dafür benötigt wird. Wie ein Kind ist er getrieben von kreativer Neugier und Entdeckungslust.
Die Erfahrungen und Erlebnisse auf dem Weg führen zu neuen Erkenntnissen. Sie sind ebenso wichtig wie das fertige Bild, welches das sichtbare Ergebnis des durchkämpften Weges ist, im Einklang mit seinem Schöpfer steht und diesen oft tief beglückt und mit Stolz erfüllt.

Wertsystem:
In meiner Arbeit gilt ein offenes Wertsystem. Ich beurteile die Malenden und ihre Bilder weder positiv noch negativ, bewerte nicht als richtig oder falsch, schön oder hässlich, gut oder schlecht. Oft realisiert die Malende erst dadurch, wie stark sie im Leistungssystem verhaftet ist. Sie ist ständig konfrontiert mit ihen übertriebenen Ansprüchen an sich selber, mit ihrem harten inneren Kritiker und der Grundangst, nicht gut genug zu sein.
Sie ist herausgefordert, sich mit ihren hohen Ansprüchen auseinanderzusetzen, sich ihr Idealbild abzuschminken und ihre nüchterne Realität zu erleben. Ein schmerzhafter Prozess! Wenn diese Phase durchgestanden ist, kann sie wieder die Freude und Faszination des freien und spontanen Tuns erleben. Sie entwickelt ein immer feineres Gespür für ihre eigene Wahrheit und macht sich unabhängig von der Meinung anderer.

Verantwortung:
Als Leiterin gebe ich kein Urteil ab. Ich erteile weder Ratschläge noch Empfehlungen. Doch mit meinen Impulsen und Vorschlägen ermutige ich die Malende, auf ihrem Bild zu experimentieren, Risiken einzugehen und Erfahrungen zu sammeln. Die Entscheidung liegt jedoch immer bei der Malenden. Sie übernimmt die volle Verantwortung für ihr Handeln und trägt auch die Konsequenzen, die sich daraus ergeben.

Fehler, Probleme, Krisen:
In unserem Leben haben wir ständig erfahren, dass Fehler zu vermeiden, Probleme lästig und Krisen unerwünscht sind. Fehler werden bestraft, Probleme sind frustrierend und Krisen eine Schande. Alle drei versuchen wir darum krampfhaft zu vermeiden.
Wir verwenden unsere gesamte Energie, sie zu verstecken, zu kaschieren, zu verheimlichen. Dadurch fehlt uns die Kraft, Lösungen anzustreben.
Wir bleiben stecken. Entwicklung ist nicht mehr möglich. Am liebsten möchten wir aufgeben, fliehen. Beim wertfreien System im Atelier ist die Malende herausgefordert, sich den Problemen zu stellen. Dadurch werden Lösungen möglich. Gefühle von Enttäuschung, Hilflosigkeit, Ratlosigkeit, Hoffnungslosigkeit und Lähmung sind entscheidende Wegweiser auf dem Weg zur Lösung.
Die Spannung ist unangenehm und oft kaum zu ertragen. Doch gerade in dem Moment, da die Probleme unüberwindbar und die Krisen abgrundtief scheinen, wachsen sehr oft erstaunliche Kräfte. Gestaute Gefühle wie Wut und Trauer brechen durch und führen zu ungeahnten Lösungen. Lösungen sind Erfolgserlebnisse.
Erfolgserlebnisse erzeugen Selbstvertrauen, das Gefühl, fähig zu sein, schwierige Situationen zu meistern. Selbstvertrauen gibt Mut, neue Risiken einzugehen. Schliesslich kommt die Malende zur Überzeugung, dass nicht die Niederlagen, sondern die Konflikte, denen sie sich nicht gestellt hat, sie zu einer Versagerin machen.

Zeit:
Lernen braucht seine Zeit. Wachstum braucht seine Zeit. Entwicklung braucht seine Zeit – und wir sind so schnell ungeduldig und entmutigt!
Lernen wir vom kleinen Kind. Es braucht Monate bis es auf seinen Füssen stehen und gehen kann. Immer wieder fällt es hin und so oft tut es sich weh. Aber – es gibt nicht auf! Und eines Tages läuft es!

Leiterin:
Genau wie für die Malenden gilt auch für mich als Leiterin das offene Wertsystem. Ich bin bereit, Fehler zu machen, Risiken einzugehen und mich Konflikten zu stellen. Auch ich bin verletzbar, stehe zu meinen Stärken und Schwächen, teile Gefühle und Empfindungen, zeige Betroffenheit und Freude.

…Und wenn es etwas gibt, was ich gerne mit meiner Arbeit vermitteln möchte, dann dies:

TRUST THE PROCESS